Wer schon einmal auf einer Auktionsplattform nach einer gebrauchten Spiegelreflexkamera Ausschau gehalten hat, ist mit grosser Wahrscheinlichkeit über die Frage zur «Anzahl Auslösungen» der Kamera gestolpert. Ich habe auch schon auf diese Weise Kamera-Bodies erstanden und verkauft – und war überrascht, wie viel Gewicht dieser Zahl beigemessen wird. Was steckt dahinter?

Wenn es “Klick” macht

In einer Spiegelreflexkamera gibt es mehrere mechanische Komponenten, welche mit der Nutzung beansprucht und somit auch abgenutzt werden. Zwei dieser Bauteile sind (vereinfacht gesagt) der Spiegel und der Verschluss. Hinter dem “Klick” steckt der immer gleiche Ablauf: Spiegel hoch, Verschluss auf, Verschluss zu, Spiegel runter (schön zu sehen in diesem Youtube-Video). Das geschieht bei schnellen Kameras 12 Mal pro Sekunde. Obschon diese Bauteile für solche Beanspruchungen ausgelegt sind, können Spiegel und Verschluss ihren Dienst mit fortschreitendem Kamera- Alter auch mal versagen.

In Diskussionsforen wird teilweise heftig debattiert, wie viele Auslösungen für welche Kamera noch “gut” sind und ab wann eine Kamera als “schrottreif” gilt. Da wird schon mal eine Nikon D3 mit 103’000 Auslösungen als “problematisch” bezeichnet, obschon Nikon 300’000 mögliche Auslösungen garantiert und es sogar funktionierende Kameras mit über einer halben Million Auslösungen gibt.

Zahl relativiert sich

Welche Bedeutung hat diese Zahl nun? Vorab ein kleines Rechenbeispiel: Um über 150’000 Auslösungen zu erreichen, müsste man während vier Jahren jeden Tag 103 Fotos schiessen. Das klingt nach einer moderaten Anzahl Bilder. Aber wie gesagt: täglich!. Wer zweimal pro Jahr in die Ferien fährt und mitje 5’000 neue Fotos zurückkommt, ab und zu in der Freizeit die Kamera nutzt, der schafft es auf etwa 15’000 Bilder pro Jahr. Der Verschluss hält in diesem Fall – rein rechnerisch natürlich – zehn Jahre.

Auch andere Faktoren spielen mit

Die Werte der Kamerahersteller sind – so unspektakulär das klingt – Angaben zu Garantien auf Bauteilen. Geht ein Verschluss kaputt, kann anhand des Auslösezählers in der Kamera ermittelt werden, ob das Bauteil zu früh den Dienst versagt hat. Wie bei anderen technischen Geräten ist auch bei einer Fotokamera entscheidend, wie sorgfältig sie behandelt wird: So tragen Schläge gegen das Gehäuse, Feuchtigkeit oder Schmutz im Kamerainnern massgeblich zu einer verkürzten Lebenszeit bei.

Masse und Klasse

Entscheidend ist auch die Preisklasse der Kamera: Günstige Consumer-Modelle bestehen logischerweise aus billigeren Bauteilen und sind in der Regel weniger robust als Profikameras. Für den Garantie-Ersatz “von Teilen mit übermässig starker Abnutzung” – und da gehört der Verschluss dazu – gibt z.B. Nikon folgende Beschränkungen* an:

  • 400’000 Auslösungen bei D5 / D4S / D4
  • 300’000 Auslösungen bei D3X / D3
  • 200’000 Auslösungen bei D810 / D800 / D800E
  • 150’000 Auslösungen bei D610 / D750 / D600 / D700
  • 100’000 Auslösungen für alle anderen Modelle

* Quelle: Nikon Garantieschein 2016.

Was sollte man bei Kauf beachten?

Wer sich für eine Occasions-Kamera entscheiden will, muss genau hinschauen, sich aber nicht durch Diskussionen über blanke Zahlen irritieren lassen. Meine Tipps:

Die beste Versicherung gegen Schäden ist die Hersteller-Garantie. Wird ein Gerät mit Garantie verkauft, darf man sich dies auch etwas kosten lassen. Doch Vorsicht: Nicht alle Schäden sind abgedeckt. Im Zweifelsfall vor dem Kauf beim Hersteller nachfragen.

Die Nutzung hinterlässt Spuren. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn Dellen vorhanden sind, der Lack ab ist, Gummiteile bröckeln oder gar fehlen, ist Vorsicht angebracht. Eine solche Kamera hat bereits einiges mitgemacht, könnte auch auch nicht sichtbare Schäden im Innern haben und somit weitere Kosten zur Folge haben.

Hatte die Kamera erst einen Besitzer, kennt der Verkäufer deren ganze Geschichte. Wanderte die Kamera bereits durch mehrere Hände, ist das nicht mehr gegeben. Angaben wie “nur im Studio gebraucht” nützen dann nicht mehr viel.

Reparaturen bedeuten nicht zwangsläufig, dass die Kamera unsanft behandelt wurde. Ab und an kann etwas defekt sein – auch wenn man noch so sorgfältig mit dem Gerät umgeht. Als Käufer sollte man jedoch fragen, was defekt war und welche Teile ersetzt wurden.

Gerade bei teureren Kameras erachte ich es als “gute Gepflogenheit”, dass eine Kamera vor dem Verkauf beim Hersteller revidiert und justiert wird. Rechnungskopien belegen so zumindest, dass die Kamera professionell und sachgemäss geprüft, und Schäden entweder repariert oder aufgelistet wurden. Hinweis: Immer auch darauf achten, dass die Seriennummer der Kamera mit der Rechnung übereinstimmt.

Wenn immer möglich, sollte man die Kamera auch selber ausprobieren: Am besten die eigene Speicherkarte einlegen, ein paar Testaufnahmen machen und diese zuhause in Ruhe analysieren.

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